Wie in jedem Jahr taucht mit dem Beginn der Weidezeit die – durchaus begründete – Angst vor der Hufrehe wieder mit auf. Insbesondere Pferdebesitzer, deren Pferde bereits einen Hufreheschub hatten oder Übergewichtig sind, müssen nun entscheiden, ob die Weidesaison eröffnet wird, oder nicht. Ich möchte in diesem Podcast darüber sprechen, warum auch hier jedes Pferd individuell betrachtet werden muss, welche grundlegenden Dinge beachtet werden sollten und wie du dein Pferd mit Hilfe von Kräutern in der Umstellungszeit unterstützen kannst.
Weide ja oder nein?
Auch wenn es eine kontroverse Meinung ist: ich empfehle für rehegefährdete Pferde nicht zwingend eine Graskarenz. Meiner Erfahrung nach treten viele Hufrehefälle vor und nach der Weidezeit auf, denn oft ist Gras und das enthaltene Fruktan nicht das eigentliche Problem. Vielmehr geht es um grundlegende Stoffwechselprobleme (Insulinresistenz EMS, PPID), die in einer Hufrehe münden und bei denen auch zuckerreiches Heu das Fass zum Überlaufen bringen können.
Wenn also grundlegende Dinge beachtet werden, bringt der Weidegang viele Vorteile mit sich. Die Pferde haben eine glückliche Zeit auf der Weide, können die Seele baumeln lassen und im Vergleich zur Zeit im Offenstall bewegen sie sich auch oft wesentlich mehr. Sie verbringen ihre Zeit damit, über die Weide zu schlendern und können in ihrer natürlichen und optimalen, kopftiefen Fresshaltung selektiv fressen. Grundlage dafür ist natürlich eine gut gepflegte Weide.
Natürlich gibt es auch Kandidaten, die nicht oder nur sehr bedacht auf die Weide gelassen werden sollten. Dazu gehören die Pferdetypen, die „im Liegen fressen“ und Pferde, bei denen der Stoffwechsel angeschlagen ist und nicht unterstützt wird. Außerdem sollte sorgsam darauf geachtet werden, um was für Flächen es sich handelt, auf denen gegrast wird. Sowohl Weiden, die nur aus sogenannten Hochleistungsgräsern bestehen, als auch insgesamt gestresste Flächen (Verbiss, Vertritt, Trockenheit…), sind für Risikokandidaten eher Tabu.
Sinnvolles Anweiden
Wir sind jedes Jahr aufs Neue mit der Thematik Anweiden konfrontiert, egal ob unsere Pferde am Haus, im Selbstversorgerstall oder im Pensionsstall mit Vollpension leben. Natürlich möchten wir immer, dass alles so problemlos wie möglich abläuft und unsere Pferde die Futterumstellung ohne Komplikationen überstehen. Dazu gehört allerdings auch ein stückweit Eigenverantwortung, denn obwohl der Stallbesitzer im Idealfall sehr verantwortungsbewusst handelt und den Grundlagen des Anweidevorgangs entsprechend handelt, schließt dies den Besitzer nicht unbedingt aus.
Oftmals neigt man dazu das Pferd bei den ersten warmen Sonnenstrahlen an den frischen Hälmchen, die aus dem Boden sprießen, knabbern zu lassen. Leider ist das Gras bis Ende April noch viel zu kurz und hat durch die meist frostigen Nächte einen erhöhten Fruktangehalt. Fruktan steht, als leicht verdauliches Kohlenhydrat unter dem Verdacht einer der Hauptauslöser für Hufrehe zu sein, deshalb sollte auch prophylaktisch unglaubliche Vorsicht geboten sein.
Während einige also schon sorglos ihre Pferde auf die Koppel entlassen oder beim Spaziergang grasen lassen, fürchten sich gerade Besitzer von Pferden mit einem sensiblen Stoffwechsel vor dem ersten Gras. Obwohl sich die Pferde natürlich sehr über die schmackhafte Leckerei des ersten Grases freuen, kann gerade jetzt im zeitigen Frühling einiges schiefgehen und darum möchten wir hier die wichtigsten Informationen zusammenfassen:
• Uhr/Handy zur Kontrolle der Zeit einpacken
• Anfangs nur 5 Minuten pro Tag grasen lassen
• Nach einer Woche auf 10 Minuten pro Tag steigern
• Nach zwei Wochen die Zeit pro Tag um 5 Minuten verlängern
• Die Anweidezeit sollte mindestens 14 Tage dauern
• Ab der dritten Woche darf das Pferd eine halbe Stunde frei grasen
• Idealerweise nachmittags grasen lassen
• Keine tagelangen Unterbrechungen, sondern wenn, dann täglich grasen gehen
• das Pferd sollte nicht hungrig sein, sondern vorher mind. 30 Minuten lang Heu essen
Bei erstem Auftreten von Berührungsempfindlichkeit am Bauch oder Durchfall oder einer Veränderung (Farbe oder Beschaffenheit) der Ausscheidungen unbedingt einen Gang zurückschalten und die Weidezeit reduzieren!
Hufrehe ist nicht zu Unrecht eine der gefürchtetsten Erkrankungen bei Pferden denn sie ist nicht nur sehr schmerzhaft für das Pferd, auch die durch die Krankheit notwendigen Einschränkungen während der Therapie (Krankenbox, Trennung von der Herde oder des Pferdekumpels) stellen eine enorme psychische Belastung dar.
Umso wichtiger ist es, dass du dein Pferd in der Zeit des Anweidens sehr aufmerksam beobachtest und im Zweifel die Weidezeit wieder reduzierst oder komplett einstellst. Achte dabei auf folgende Dinge:
- wie ist das Gangbild, läuft das Pferd fühlig(er)?
- tritt Pulsation an den Hufen auf? In so einem Fall können die Huf-Reha-Kräuter unterstützen
- hat dein Pferd einen Blähbauch?
- lass‘ dein Pferd nicht hungrig auf’s Gras
- keine Leertage wenn angeweidet
- kontrolliere die Weide auf Giftfplanzen
- Gräsercheck mit der Süßgräserfibel von Renate Vanselow
- bestimme die Futterwertzahl um ein Gefühl für die Nahrungsgrundlage bekommen
- biete mehr Bewegung an, z. B. Freiarbeit auf dem Roundpen, Bummeln im Gelände
- der Organfokus liegt in dieser Zeit auf Leber und Bauchspeicheldrüse
Kurz-Exkurs Stoffwechsel – Was passiert beim Angrasen im Pferdekörper? ️
Der Magen-Darm-Trakt und dessen Mikrobiom hat sich in den Wintermonaten auf die Verdauung von rohfaserreichem Heu spezialisiert. Und nun stellt euch doch bildlich die Verwirrung der verarbeitenden Mikroorganismen vor, wenn sie statt dem gewohnten Heu auf einmal frisches, weiches Gras zerlegen sollen. Eine neue Generation an spezialisierten Mikroben muss antrainiert werden und die überflüssig gewordenen „Heu-Spezialmikroben“ verhungern und sterben ab. Die dabei entstehenden „Leichengifte“ können sich nun blitzschnell vermehren, die Darmwand durchdringen, dadurch in die Blutbahn gelingen und im schlimmsten Fall Vergiftungssymptome wie Huflederhautentzündungen, Durchfall oder Koliken hervorrufen.
Der Energiegehalt der Weiden unterscheidet sich sehr drastisch von Steppengräsern und dient in unseren Breitengraden eher dem Zweck der Milchviehhaltung. Bei Kühen oder Ziegen fördert der hohe Energiegehalt die Milchproduktion, doch für unsere Nicht-Zuchtpferde ist dies schlicht und ergreifend unnötig.
Das junge, frische Gras ist rohfaserarm, reich an Eiweiß, Kohlenhydraten, Wasser und Fett. Wenn der Verdauungstrakt diese Inhaltsstoffe mikrobiell zu zerlegen beginnt, entstehen Milchsäuren (=laktophile Darmflora) und durch eine vermehrte Streptokokken-Bildung im Blinddarm sinkt dort der ph-Wert. Dadurch nimmt die Osmolarität der Darmschleimhaut ab, wird also durchlässig und Toxine, wie z. B. Endophyten können leichter in die Blutbahn und zu Vergiftungsrehe führen.
Die Kohlenhydrate im Gras erhöhen den Blutzuckerspiegel und bei nicht adäquater Bewegung kann es zu einer Insulin-Resistenz kommen. Die Gefahr von Stoffwechselentgleisungen / Equinem Metabolischen Syndrom steigt – und damit auch die Rehegefahr.
Fruktan – Fakten und Realität
Auch das Gras leidet unter den Temperaturschwankungen und Wetterumschwüngen zu Beginn des Frühlings. Oft ist es nachts noch frostig und kalt aber durch die bereits warme Sonneneinstrahlung tagsüber schön warm. Während wir und unsere Pferde die Wärme nach dem langen Winter genießen, bildet das Gras reichlich langkettige Zuckerverbindungen (Polysaccharide) zur Energiegewinnung und speichert dieses Fruktan kurzfristig zu ca. 90% im Stängel des Grases als Reserve ein, z. B. wenn das Wachstum durch einen Kälteeinbruch eingeschränkt ist.
Je kürzer das Gras, desto konzentrierter der Fruktananteil in der Basis des Grasstängels. Daher sollte das Gras auch so lang wie möglich sein, denn in der Regel rupfen Pferde nur das oberste Stück des Halmes ab und nehmen dann nur einen entsprechenden Bruchteil des Fruktans auf. Erinnere dich an das berühmte „Bieflaschenmaß“: das Gras sollte höher als eine Bierflasche sein.
Das Gras wächst bei Wärme in Verbindung mit Feuchtigkeit und wenn das Gras wächst, dann verbraucht es Fruktan (und das ist gut!). Wenn das Gras durch Niederschlagsmangel nicht wachsen kann und seine Energie nicht verbrauchen darf, gerät das Gras in Stress und der Fruktan-Gehalt bleibt hoch. Die beste Weidezeit sind im Grunde warme und feuchte Sommernächte, wenn also kaum Fotosynthese (Fruktanbildung) stattfindet, sowie an warmen, bewölkten Nachmittagen.
Stressoren für Gras:
- Niederschlagsmangel
- Kälte, insbesondere Sonnenschein bei Kälte
- Verbiss
Die Natur hat sich etwas Kluges ausgedacht, um das Gras vor Schaden zu bewahren: gestresstes Gras schützt sich durch die Bildung von Endophyten und auch diese Gräsergifte können eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Stoffwechselentgleisungen einnehmen.
Leider ist der Verdauungstrakt von Pferden nicht für die Verwertung von Fruktan ausgelegt, da sie von Natur aus eher karge Steppengräser gewohnt sind und sich in der Regel viel zu wenig bewegen, um diese „Energiebombe“ abzuarbeiten.
Durch die Verstoffwechselung von Fruktan entstehen Stoffwechselgifte, welche sich nach und nach im Gewebe ablagern. Dies hat zur Folge, dass durch diese Gifte die Durchblutung der Huflederhaut gehemmt wird, was letztlich zu Hufrehe führen kann.
Außerdem: Wenn Pferde extrem kurzes Gras verspeisen, besteht die Gefahr, dass Dreck und Erde vermehrt mit aufgenommen werden können, welches langfristig zu Verdauungsproblemen wie z. B. Sandkoliken führen kann.
Grundsätzlich gilt beim Anweiden die goldene Regel: je langsamer, umso besser.
Pferde vertragen schnelle Futterumstellungen nicht gut und ein schneller Wechsel von trockenem Raufutter auf saftiges Gras kann zu Aufgasungen im Pferdedarm führen. Dadurch entstehen schwere und leichte Darmabschnitte, welche sich im schlimmsten Fall verdrehen, verschlingen oder verlagern können. Es besteht ein hohes Risiko, dass die Blutzufuhr im Darm abgeklemmt wird, was zu einem Absterben einzelner Darmbereiche führen kann.
Unterstütze den Stoffwechsel deines Pferdes
Gerade jetzt ist es wichtig, die Anhangsdrüsen des Dünndarms (=Bauchspeicheldrüse und Leber) zu stärken, damit sie bestmöglich ihren Aufgaben nachkommen können. Bitterkräuter, wie z. B. unsere Kräutermischung Drüsentrieb stimulieren die Ausschüttung von Verdauungsenzymen, so dass die Verarbeitung von Fetten, Eiweiß und Kohlenhydraten im Dünndarm unterstützt wird.
Zur Unterstützung deines Pferdes eignen sich außerdem folgende Kräuter:
- Weißdorn
- Artischocke
- Maulbeerbaumblätter
- Taigawurzel
- oder das Kraftpferd Mikrobiompaket