Liebe*r Zuhörer*in, eine kleine Warnung vorweg: diese Podcastfolge, die ich zusammen mit Selina Dörling aufgenommen habe, ist sehr tief geworden. Wir sprechen über ein überaus wichtiges, klares, emotionales Thema: das Leben und Tod unserer Pferde. Nimm‘ dir für diese Folge ganz bewusst Zeit, denn ich bin mir sehr sicher, dass sie auch dir sehr nahe gehen und dich zum nachdenken bringen wird.

In Kürze erscheint hier ein Transkript des Gesprächs!

Selina Dörling ist Pferdeosteopathin und Gründerin und Dozentin der „Visionäre Pferdosteopathie (VPO)“ Fortbildung für Therapeuten und Tierärzte. Die VPO verbindet anatomische und psychische Zusammenhänge miteinander und hat zum Ziel, den Mechanismus im Pferd zu finden, der es davon abhält, sein volles Potenzial und seine naturgegebene Lebendigkeit voll leben zu können.

Vicky
Heute heiße ich Selina Dörling im Podcast Willkommen. Heute geht es um ein besonderes Thema, nämlich den Tod, und in dieses möchte ich auch relativ schnörkellos einsteigen. Denn das ist für mich ein Thema, das sehr relevant ist und das man auch wirklich ganz klar so betrachten sollte als Lebensabschnitt, mit dem es sich zu beschäftigen lohnt. Auch für mich. Als Therapeut bin ich natürlich immer mit Todesthemen konfrontiert, genauso wie Lebensthemen und von daher finde ich es wichtig und richtig, sich da ganz offen auszutauschen und da bin ich so froh, liebe Selina, dass du jetzt hier mit dem Podcast bist und auch deine Sicht der Dinge mit uns teilst. Magst du dich kurz vorstellen?

Selina
Ich bin Selina Dörling und die Begründerin der „Visionären Pferdeosteopathie (VPO)“. Und ja, in der VPO geht es ja vor allen Dingen um das Thema Trauma und Schockmechanismen und Lebendigkeit.

Vicky
Die Lebendigkeit in allen Facetten. Ist vielleicht auch im Tod etwas sehr Lebendiges? Das können wir uns vielleicht auch mal anschauen, ich möchte vor allem auch ein paar Themen aufgreifen davon in diesem Podcast. Als Pferdetherapeutin erlebe ich teilweise Pferdebesitzer, die sehr unbewusst mit dem Tod ihres Tieres umgehen, vor allem, wenn die Pferde noch gesund sind. Aber auch, wenn es auf das Alter hinzugeht. Und wenn man dann, Pferdebesitzer, die man schon länger kennt, fragt, ob sie sich mit dem Thema mal auseinandergesetzt haben, dann fallen diese oftmals in eine kleine Schockstarre und Schweigen. Vor allem dann, wenn den Besitzer frage, „Ist es dein erstes Pferd“ und es dann zum Erstarren des Besitzers kommt und man merkt: Oh nee, da kommt auch Trauer, wenn sie sagen, „Nee, das ist mein zweites Pferd, mein erstes Herzenspferd hab‘ ich verloren“. Was meinst du, warum sollte man sich jetzt schon mit dem Tod beschäftigen, was würdest du denn Menschen sagen?

Selina
Ja, das ist eine gute Frage. Wann beschäftigt man sich mit dem Tod? Oder beschäftigt man sich mit dem Leben? Ich denke, man kann dieses Thema aus zwei Sichten sehen, also einmal natürlich aus der biologischen Sicht und aus der therapeutischen Sicht, aber auch auf der anderen Seite aus der menschlichen Sicht, also aus der Sicht des Pferdebesitzers. Ich bin ja nun im Endeffekt beides und habe auch schon beides erlebt. Im letzten Jahr, Mai ist ja mein Herzenspferd, wie man es so schön nennt oder mein erstes Pferd, der Justin verstorben, dem wir die VPO zu verdanken haben. Ich kann für mich sagen, Justin war seitdem ich ihn habe ein Pferd, welches immer schon immer so ein bisschen an der Schwelle zum Tod stand. Er hatte immer Symptome und Krankheiten, wo eigentlich der Tierarzt immer schon sagte, „Mensch, also heute ist es nun soweit, nun ist es soweit“ und ich gesagt habe „Nee, so weit ist es noch nicht“ und aufgrund dieser ganzen Symptomatiken und immer wieder dieser Energie im Raume des Gehens und des Abschiedes habe ich mich natürlich sehr früh damit beschäftigt.

Immer wieder auch durch diese Aussagen der Anderen: „Das Pferd muss jetzt sterben“. Dann bin ich in mich und dann ist es natürlich dazu gekommen, dass ich mich damit beschäftigt habe, therapeutisch und fachlich auf der einen Seite. Was hat denn mein Pferd, warum hat er immer diese Symptome? Und welche Krankheit steckt dahinter? Aber eben auf der anderen Seite auch als Selina persönlich: was passiert eigentlich mit mir, wenn so eine Aussage im Raume steht. Und was macht es mit mir? Da habe ich natürlich die Möglichkeit bekommen, an mir, an diesen Ängsten, die da sitzen, an den Verlustängsten zu arbeiten. Und für mich war es auch dann ein persönlicher Weg, mich mit dem Thema des Verlusts auseinanderzusetzen. Ich kann aber auch heute sagen, als dann wirklich der Tod eingetreten ist: Nein, ich glaube, man kann sich nicht drauf vorbereiten. Man kann es nicht. Man denkt, es passiert etwas Dramatisches, etwas, was ich nicht aushalte. Etwas, wo ich selber vielleicht ein Stück weit auch sterbe, was ja auch stimmt, es ist ein Verlust von einem geliebten Tier. Der Mensch stirbt natürlich ein einen kleinen Tod. Aber ich muss auch sagen, als dieser Moment eingetreten ist, war es anders, als ich mir jemals hätte vorstellen können. Und es war eigentlich sehr magisch. Ja, es war aber ein magischer Moment, der mich freute, im Nachgang auf einer energetischen Ebene. Ruhiger hat werden lassen. Vertrauensvoller. Und auch klar.

Vicky
Ich glaube, wie du auch sagst: jeder Tod ist wahrscheinlich für jeden komplett anders, aber diese Magie habe ich auch ähnlich wahrgenommen und der Februar jetzt als Aufnahmetermin ist auch sehr bewusst gewählt. Vor vier Jahren ging es mit meiner Stute Fine los, die zwei Monate nach der Diagnose an einem Lungentumor gestorben ist. Und da habe ich diesen Tod in Raten über mehrere Monate quasi miterlebt und ich würde jetzt mal sagen, zum Ende hin war es dann auch wirklich dieser magische Moment, wo man sofort wusste: okay, es ist jetzt so weit. Da war so eine Klarheit, wie du es auch sagst. Und so eine Ruhe.Ich bin sehr froh, dass ich mich einerseits vorher durchaus damit befasst habe. Aber tatsächlich kam es in dem Moment dann doch unvorbereitet.

Was glaubst du, was passiert, wenn man sich bei einer Entscheidung für eine geplante Euthanasie von außen beeinflusst lässt, beispielsweise durch Stallkollegen, die fragen, wie man seinem Pferd noch beim Leiden zusehen kann?

Selina
Ich glaube, dass es uns allgemein schwerfällt, mit dem Leid umzugehen oder Leiden zu sehen und damit konfrontiert zu sein. Aus so einer Situation heraus werden natürlich manchmal auch voreilige Entscheidungen getroffen. Ich kann nur aus neurobiologischer Sicht sehen und dadurch nachvollziehen, was passiert, wenn ein Pferd augenscheinlich leider – also Schmerzen hat – aber keine Hilfe bekommt. Und ich kann auch sehr gut nachvollziehen, was mit einem selbst passiert, wenn man zusehen muss, wie ein Pferd leidet, wenn man schon alles getan hat. Und an diesem Punkt gibt es dann neurobiologisch eine Instanz, die sagt, dass es vielleicht besser ist, dass das Pferd geht und eingeschläfert wird. Und dann kann auch mein eigenes System wieder zur Ruhe kommen. Es ist ein völlig biologischer Mechanismus zu sagen „Ich weiß nicht mehr weiter“ oder „Ich habe keine Lösung“ mehr und auch wenn es psychologisch keinen Sinn zu machen scheint, kann sich mein Nervensystem nur dann regulieren, wenn ich das Leid nicht mehr sehen muss. Und aus diesem Instinkt und diesem Aspekt heraus geschieht die Euthanasie manchmal durchaus zu früh.

So habe ich das mit Justin auch erlebt. Ich habe jahrzehntelang zu hören gekommen, dass es jetzt aber Zeit ist, ihn gehen zu lassen. Weil er Arthrose hat, nicht mehr laufen kann. Aber das habe ich vorallem von Menschen gehört, die mir keine Lösung geben konnten.

Vicky
Und dann sind wir wieder bei dieser Hilflosigkeit, die dann auch unsere frühkindlichen Ängste triggert – keine Lösung zu haben.

Selina
Wir als Menschen, Säugetiere, holen für unsere Pferde die gleichen Bindungsmuster hervor, die wir auch mit unseren Mitmenschen haben. Und da kann es natürlich auch passieren, dass wir in unserem Pferd auch irgendwie eine Bezugsperson sehen oder es zu einer Bezugsperson machen, die wir nie hatten. Da passieren dann Projektionen und so war es auch bei mir uns Justin, der Etwas aufgefangen hat, was mir immer gefehlt hat. Und in diesen Momenten fühlen wir dann auch die selbe Hilflosigkeit, die wir im Umgang mit Bezugspersonen kennen.

Vicky
Ich nehme durchaus wahr, dass Pferdebesitzer manchmal durchaus schon ahnen, dass der Tod nicht mehr weit ist, gerade wenn es um ältere Pferde geht, die starke Schmerzen haben. Manchmal ist dieses Gespür aber so unterschwellig, dass viele Besitzer Angst haben, die falsche Entscheidung zu treffen, weil diese ja auch nicht mehr rückgängig zu machen ist. Was glaubst du, passiert da zwischen Mensch und Pferd, wenn die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt im Raum steht?

Selina
Ich kann in dieser Situation wirklich nur von mir sprechen. Ich habe immer geglaubt, dass ich es merken würde, auch frühzeitig. Heute kann ich sagen, dass das nicht der Fall war. Hättest du mir am Abend vorher gesagt, dass Justin am folgenden Tag eingeschläfert werden muss – ich hätte das so nicht gemerkt. Natürlich sieht man vorallem im Nachgang, dass da schon ein Abbau stattgefunden hat. In meinem Fall war es so, dass sich Justin schon Wochen vorher schon schleichend und ganz subtil auf den Weg gemacht hat – ohne andere Symptome als sonst auch. Ich hatte es in dem Moment nicht gemerkt und ich glaube, das sollte auch so sein. Ich glaube, dass es einige Pferde gibt, die sich energetisch und auch seelisch schon davonmachen und dass der Körper dann auch schon andere Botenstoffe aussendet. Da wären wir wieder bei der Biochemie. Manchmal kriegen wir das deshalb auch gar nicht mit und am nächsten Tag sieht man es dann tatsächlich, dann ist es nicht mehr zu übersehen. Das ist aber eine ganz individuelle Geschichte, auch je nachdem, in welchem Bindungsgrad man zueinanderstand. Und ich glaube, dass die Biologie uns da auch ein bisschen betäubt. Wir hatten noch Bilder von ihm gemacht und heute sehe ich auf diesen, dass Justin schon wie Geistwesen aussah zu dieser Zeit. In dieser Zeit habe ich mich auch ganz intuitiv auch schon aus der Beziehung zu ihm genommen und mein zweites Pferd zum Bezugspferd gemacht, ohne es bewusst zu merken. Und das ist glaube ich etwas, das passiert, wenn man Leid oder Krankheit schon lange begleitet hat und gar nicht mehr so sehr den Fokus auf das Drama hat. Das Pferd kann diesen Prozess dann auch schon eine Zeit lang mit sich selbst auch biologisch ausmachen und dann irgendwann kommt der Tag X – und dann weiß man, was zu tun ist.
Ich habe mir für Justin auch immer gewünscht, dass er nicht euthanasiert wird und gesagt, er liegt dann irgendwann da. Aber das passiert ja in der Regel nicht. Und in unserem Fall habe ich noch einmal eine ganz klare Abfrage in einem hellen Moment gestartet und meinen Tierarzt nochmal um Medikamente gebeten. Und mein Tierarzt rollte schon mit den Augen und wollte mir klarmachen, dass hier jetzt ein Ende erreicht ist aber ich wollte noch diese Medikamente haben. Und dann ging der Tierarzt aus dem Stall und von Justin hörte ich dieses Schreien: Nein, hier ist jetzt Ende. Ich kann das nicht anders erklären, das war eine ganz klare Haltung. Dann guckte ich ihn an und wir kannten uns über 20 Jahre und ich merkte an seiner Reaktion, dass das nicht der Weg ist. Und dann habe ich gesagt, Nein, wir machen Schluss.

Was ich damit sagen will, ist, dass man nochmal in diese Abfrage geht mit dem Pferd: Wir können noch das und das machen. Und wenn da ein ganz klares Nein kommt, ist der Weg die Euthanasie.

Vicky
Von diesen hellen Momenten, die du beschreibst, berichteten ganz Viele. Ich finde diese Momente sehr magisch und dabei haben sowohl die Geburt als auch der Tod etwas nicht greifbares, mystisches.

Ich kann mich auch daran erinnern, dass ich mit Fine in den letzten zwei Wochen einen sehr engen Kontakt hatte, in denen auch ganz viel Drama lag. Und da habe ich Abends bei ihr gestanden und habe sie wirklich angefleht, nicht weiter abzunehmen und einfach zu bleiben. Und da hatte ich diesen hellen Moment, wo sie mir klar sagte: „Wie, für dich soll ich bleiben?“. Das war für mich auch nochmal eine Klarheit, die ich sehr spannend fand.
Und ich denke, jedes Pferd hat er sein eigenes Naturell im Leben wie auch im Abschiedsnehmen oder aus dem Körper gehen.

Und dieses Drama hatte ich vor ziemlich genau zwei Jahren auch nochmal mit meiner Stute Kira. Ich weiß noch, dass der Tierarzt mir auch schon sagte, dass Einschläfern die beste Option wäre durch die Sepsis. Und das hat mich dann dankenswerterweise zu dir gebracht. Weil ich auch so verzweifelt war. Aber dieser Hufabzess und die Hufsepsis waren nötig, dass ich an dich gerate. Und Kira und ich hatten auch, als es zum Ende der Ausbildungszeit ging, in einer VPO-Einheit so einen hellen Moment. Da haben wir beide gespürt, dass, wenn es jetzt enden würde, dann wäre es wunderschön. Und da habe ich nochmal dieses Verlustthema auch ganz klar für mich angeschaut. Damit der Tod ein bisschen, ja, an Drama verliert.

Noch einmal zurück zum Thema Euthanasie und dem eventuell vorschnellen Einschläfern. Wir haben in der Ausbildung ja sehr viele dieser intensiven Themen besprochen und du hast einmal den Satz gesagt „Für unser Herz ist es Mord.“. Magst du dazu noch ein paar Sätze sagen?

Selina
Das ist natürlich ein sehr provokanter Satz, der aber tatsächlich aus meinem Herz kam. Ich habe auch schon ein anderes Tier euthanasieren müssen. Bei der Euthanasie meines Hundes war der Zeitpunkt nicht richtig – weil das Leid so groß war und die Möglichkeiten, dass ich ihn hätte behalten könnten, nicht gegeben waren. Das heißt, ich musste einen Zeitpunkt wählen, der vielleicht nicht richtig war. Und danach saß ich da und jeder, den ich gefragt habe, hat versucht, mich zu beschwichtigen. Und versucht, mir meine Schuldgefühle zu nehmen. Und irgendwann merkt man, dass man das kognitiv eigentlich kann. Aber das Herz sagt noch etwas anderes. Für das kognitive Gehirnfeld ist die Euthanasie etwas ganz anderes, als für das Herzfeld. Eine Handlung, die den Tod eines geliebten Begleiters herbeiführt, kann faktisch und auf kognitiver Ebene das Beste für das Tier sein. Aber auf der Herzebene sieht das ganz anders aus. Und als ich das benannt und mir eingestanden habe, wurde das besser. Und das ist einer der wichtigen Punkte auch in der VPO: die Kommunikation der Wahrheit. So wahr, wie der Tod ist, ist dann auch das wahr, was wir in dem Moment fühlen.

Vicky
Als du diesen Satz gesagt hattest, hat sich mein Herz weit geöffnet. Weil es die Wahrheit erkannt hat. Gerade bei den Tierbesitzern, über die in unserer Gesellschaft manchmal diese Decke gestreichelt und denen gesagt wird: „Das Tier hat dann ja keine Schmerzen mehr.“ oder „Es ist das Beste für alle“ oder „Der Kummer wird vergehen, kauf‘ dir am Besten gleich das nächste Pferd“, wird über dieses Thema gerne hinweggesehen. Wir erfassen diese Themen dann zwar kognitiv, aber das Herz kommt dann manchmal einfach nicht mehr mit.

Selina
Ich habe mal die Idee gehabt, dass, wenn man von dem inneren Kind spricht, auch durchaus von anderen Anteilen in einem sprechen kann, die vielleicht auch weiser sind. Und das Herz ist das Organ, welches mit der Wahrheit am besten Leben kann. Wenn ich mir etwas eingestehe und mir darüber im Klaren bin, was ich tun musste, dann kann auch wieder Ruhe einkehren. Weil die Wahrheit nicht mehr unter den Teppich gekehrt wird und ich zu meiner Handlung stehe und sie dann nicht mehr im Inneren weiter brodeln muss. Das bedeutet, dass ich diese Entscheidung anerkenne. Und das wäre auch meine Antwort auf deine erste Frage, was Pferdebesitzer in Vorbereitung auf diesen Tag tun können: Sich hinzustellen, die Hand aufs Herz zu legen, zu atmen und klar zu sagen: Wenn dieser Tag kommt, wenn es an der Zeit ist, dann entscheide ich, dass diese Euthanasie durchgeführt wird. Dann kann auch wieder Ruhe einkehren. Mit dieser Ermächtigung vermeide ich dann auch, dass mich dieser Moment mit all seinen Emotionen überflutet und verhindere, dass ich mich dann doch nicht entscheiden kann. Wenn ich anerkenne, dass ich das Werkzeug und die Entscheidung in der Hand habe, liegt darin auch die Selbstermächtigung. Und dann bin ich nicht dem Tierarzt oder jemand anderem ausgeliefert, sondern entscheide ganz bewusst selbst.

Vicky
Und das finde ich sehr wichtig. Ich habe selbst als ich 16 war mein Pferd einschläfern lassen müssen. Ich habe ihn mit zu Boden gerungen, damit der Tierarzt die Spritze setzen konnte und im Nachhinein hat mich diese Erfahrung durchaus schwer traumatisiert. Aber in dem Moment, in dem du diesen für mich magischen Satz sagtest, ist diese Wahrheit, dass ich diese Schuld unbewusst in mir getragen habe, ans Licht gekommen. Aber als die Trauer dann endlich hochkam, konnte ich mich mit diesem Trauerprozess auch endlich auseinandersetzen und der ist ja wirklich wichtig – und wird Tierbesitzern oft ein bisschen abgesprochen.

Selina
Was ich zum Herzen sagen kann: wenn ich mich vorher schon in mein Herz hineinbegebe und sage „Ich entscheide mich dann“, kann ich mich auch auf eine Intuition einlassen. Wenn ich mir im Voraus schon erlaube, diesen Schritt zu gehen, wird meine Wahrnehmung eine andere sein, wenn es dann soweit ist. Dann kann ich klarer entscheiden, ob heute der Tag ist – oder ob wir noch warten. Wenn ich das Thema nicht aus meinem Bewusstsein und Unterbewusstsein verbanne, kann das Herz nochmal mehr mit dem Kognitiven verbunden werden. Und diese Verbindung von Herz, Kopf und Psyche ist für diesen Moment wahnsinnig entscheidend. Dass ich dann aus mir selbst heraus handeln kann, ohne mir etwas auferlegen zu lassen.

Vicky
Dass man diesen hellen Moment, von dem du gesprochen hast, auch wirklich wahrnehmen kann. Ich glaub, das geht auch wahrscheinlich nur zu einem gewissen Grad, vielleicht, wenn man auch sich gut bei sich ist, sich und sein Herz spüren kann oder so etwas aufploppt aus diesem inneren Wissen heraus.

Im Dezember hatte ich wieder eine Phase als Therapeutin, in der einige meiner Patienten gestorben sind, die eine schwere Diagnose hatten und für die das Ende auch absehbar war. In Absprache mit dem Besitzer habe ich bei einem Patienten noch einmal eine VPO-Behandlung gemacht und das Pferd hatte zu diesem Zeitpunkt noch eine wahnsinnige Ausstrahlung, wirkte gesund und sah fröhlich aus – und starb drei Tage später, aus dem Nichts. Das hatte mich als frische Therapeutin der Osteopathie auch erstmal überfordert, vorallem, als dass dann zwei Mal hintereinander vorkam. Aber diese Lebendigkeit, zu der es dann noch einmal plötzlich kam – kannst du da noch einmal den Bogen zur VPO spannen? Was da Magisches mit dem Pferd und auch dem Besitzer passiert, wenn nach deinen Techniken behandelt wird?

Selina
Da können wir ein bisschen ausholen und bis zum Thema Geburt zurückgehen. Die Geburt ist ein biologischer Kraftakt und sowohl Pferd als auch Mensch brauchen Kraft, um auf die Welt zu kommen. Und genau so ist es beim Sterben: der Körper braucht Energie und entsprechende Energiereserven, um sterben zu können.
In unseren Behandlungen liegt der Fokus darauf, dass wir dem Körper auf der strukturellen, energetischen aber auch auf der Fluidebene die Möglichkeit geben, dass sich alles so gut wie möglich bewegen kann. Die Techniken, die wir verwenden, erreichen das Nervensystem sofort und erreichen direkt das Stammhirn. Und in dem Moment der Anwendung bekommt der Körper die Chance, in Beziehung durch die Berührung zu gehen. Das ist einer der wichtigsten Punkte: durch die haptische Berührung werden Botenstoffe ausgesendet, die das System beruhigen. Gleichzeitig entsteht aber auch Bewegung neben der Beruhigung. Der Körper kann Strukturen loslassen, die vielleicht schon sehr lange im Schockzustand festgehalten waren. Und dann kommt dieser Schwall von Energie in den Körper. Diese Energie kommt nicht von außen sondern von innen, aus den Zellen und den Mitochondrien.

Der dritte Aspekt der VPO ist, dass wir durch die Berührungen am Körper nicht nur das Pferd erreichen, sondern auch uns selbst als Therapeuten und den Besitzer. Und durch dieses energetische Feld kann es dazu kommen, dass das Pferd sich entscheidet oder einfach die Möglichkeit bekommt, zu Gehen. Ich habe diesen Prozess sowohl bei Tieren als auch bei Menschen erlebt. Eigentlich gleicht der Prozess einer Geburt, in der wir ja in Berührung sind, in einer Beziehung und in Bewegung. Nach der Geburt trennt sich etwas – das Trennen der Nabelschnur ist so gesehen schon ein kleiner Tod, eine Trennung der Beziehung. Und wenn ein Pferd stirbt, wiederholt sich dieser Rhythmus, dieser Zyklus. Und es ist schön, wenn man diesen so begleiten und sich sagen kann, eigentlich durchleben wir jetzt nochmal die Geburt.

Vicky
So, wie du es zusammenfasst hört sich das schon Magisch an. Ich habe es erlebt, dass in diesem berührenden Moment nochmal eine ganz innige Beziehung zwischen den Beteiligten entsteht. Und, dass Besitzer mir dann auch hinterher gesagt sagen, dass es gut so war, wie es eben war. Dass sich durch diese Kraft aus dem Inneren Heraus diese Bande zwischen Mensch und Pferd nochmal entwickeln und ansprechen lassen und sich die Wahrheit und Klarheit entfalten konnte. Ganz distanziert gesagt: Dass der Mord mit reinem Herzen in Auftrag gegeben werden konnte.

Selina
Die Euthanasie ist ein Eingriff in den Prozess des Sterbens. Sie ist eine Begleitung in den Tod. Aber das Gleiche erleben wir in unserer westlichen Welt ja auch bei der Geburt, bei der oft mit geburtseinleitenden Medikamenten oder einem Kaiserschnitt geholfen wird. In beiden Situationen ist es sowohl für den Menschen als auch das Pferd eine Situation, in der in die Persönlichkeit eingegriffen und auch die Lebendigkeit ein wenig abhandenkommt. Die Biologie ist ja schlau und würde das eigentlich gern selbst regeln. Ich kann mir auch vorstellen, dass Menschen, die selbst ein Geburtstrauma erlebt haben, auch ganz anders auf diese Maßnahmen reagieren, als jemand, der seinen Empfang auf dieser Welt ganz natürlich erlebt hat.

Als Justin dann gestorben war, habe ich noch lange bei ihm gesessen und eine Energie in ihm, also in den Flüssigkeiten seines Körpers gespürt. Auch, wenn das Herz schon aufgehört hat zu schlagen, war das Fluidfeld noch nicht ganz zum Erliegen gekommen. Dieser kraniale Rhythmus ist der erste, der bei der Geburt einsetzt und der letzte, der aufhört, wenn man stirbt. Diese Energie noch zu fühlen, diesen Rhythmus noch einmal anzunehmen war ganz wunderbar für mich und dadurch entstand auch in meinem Herzen ein Frieden.

Ich kann nur ermutigen, sich diesen Moment zu nehmen und sich nochmal hinzusetzen und wirklich zu fühlen, was passiert. Auch wenn der Schmerz und die Trauer kommen. Um zu verstehen, was passiert denn da ganz genau, abgesehen von der seelischen oder spirituellen Ebene. Wenn man so viele Jahre mit einem Pferd zusammen war, gibt es zwischen Mensch und Pferd natürlich auch eine biochemische Reaktion. Mein ganzer Körper, meine Sinnesorgane waren ja mit diesem Pferd in Verbindung und dann ist es plötzlich nicht mehr da, nicht mehr greifbar. Dann fahren die Sinnesorgane Karussell und sind in einem biologischen Konflikt. Sie können ihn ja noch fühlen, riechen, schmecken. Sie wissen noch, wie es sich angefühlt hat aber es ist nicht mehr da. Aber wenn dieses Bild vom Pferd wieder aufgerufen wird, kann man das Pferd auch sofort wieder wahrnehmen. Das hat damit zu tun, dass in unserer gemeinsamen Zeit unsere Zellen durch Anfassen, Riechen und so weiter in Verbindung waren. Aus dieser Beziehung wurde ein biologischer Prozess, und wenn das nicht mehr da ist, dann fehlt etwas.

Vicky
Das darf man wirklich erst mal sacken lassen. Ich kann dieses Gefühl, dass man über so einen langen Zeitraum ein Teil voneinander wird, sehr gut nachvollziehen. Dann stimmen auch die alten Sprüche, als würde ein Teil von einem selbst sterben – weil man so lange im Austausch miteinander stand, miteinander verwoben war.

Selina
Das Pferd hatte ein Energiefeld. Dieses Energiefeld haben meine Zellen, haben meine Schwingungen mit aufgenommen. Deswegen können wir, wenn wir an einen Verstorbenen denken, diesen auch oft noch sehr, sehr lange fühlen. Sehr lange haben wir seine Stimme im Kopf, und das ist eine wahnsinnige Sache der Biologie, was der Körper da macht. Dass wir aus Bildern der Körper uns diese Zellschwingung, diese Zellerinnerung wieder nach oben holen können.  Was dann aber Angst macht und diese Trauer auslöst ist, dass die Sinnesorgane im hier und jetzt sagen, dass sie es nicht verstehen. Ich kann ihn ja nicht mehr anfassen, er ist ja haptisch nicht mehr da. Das ist dann vielleicht der psychologische Prozess.

Vicky
Und das wäre dann der Moment, die Hand aufs Herz zu legen und zu sagen: Ja, er ist nicht mehr hier. Dennoch ist er quasi ein Teil von mir. Oder beschummelt man sich dann, weil man dann nicht mehr Abschied nehmen kann?

Selina
Es ist ja die Frage: müssen wir Abschied nehmen? Ich habe mich das lange gefragt, auch das Loslassen ist ja auch so ein wunderbares Wort. Ich muss mein Pferd nicht loslassen. Es gibt auch gar nichts loszulassen. Erstens wüsste ich nicht, wie ich es tun sollte. Zweitens sehe ich da keinen Grund drin, denn er ist ja, wie wir eben sagten in meinem System, in meinem Stammhirn eingepflanzt sozusagen. Und von daher gibt es nichts loszulassen oder zu verabschieden.

Damit kommen wir zum Aber: Das Trauerjahr hat seine Begründung und seine Berechtigung. Denn die Biologie braucht Zeit, um das, was war, zu verarbeiten. Diese Zellschwingungen, sage ich mal, zu verstoffwechseln. Und in diesem Stoffwechselprozess kann es zu Phasen, in denen der Körper versucht, dieses Trauma wegzustecken statt zu verarbeiten. Wenn es zu viel wird, werden Opiate, also Betäubungsstoffe ausgeschüttet. Damit es nicht ganz so schnell geht und dann kommt auch noch der Kopf mit seinen Bildern und versucht das zu bagatellisieren. Das passiert auch mit diesen Floskeln oder wenn ich sage, er ist jetzt in der Regenbogenwelt oder was auch immer. Ich in meinem Falle sage dazu nein. Ich sage, Justin ist nicht mehr da.

Vicky
Ich glaube, es ist wichtig, sich damit zu beschäftigen und sich zu fragen, was man glaubt, ohne es zu verniedlichen. Wenn ich mir aber vorstelle, dass dieser Prozess von einem Konglomerat aus Schuld und Hilflosigkeit überlagert wird, was glaubst du, kann dann so eine reale Verstoffwechslung wirklich passieren?

Selina
Nein. Ich habe erlebt, dass Schuld ein guter Mechanismus ist, den wir erlernt haben, wenn Trauer nicht erwünscht war. Es ist ja leichter, sich schuldig zu fühlen, als zu trauern. Das ist ein reiner Schutzmechanismus. Ich glaube es ist wichtig, sich das tatsächlich anzugucken. Wenn da ein Schuldgefühl ist, kann es seine Berechtigung haben aber in den meisten Fällen ist es nicht so. Für den Prozess ist es aber wichtig, sich die Frage zu stellen, wo ich schuldig war oder was ich anders hätte machen können.

Vicky
Und es öffnet auch wieder Räume. Also wenn du das jetzt so sagst, diese Selbstehrlichkeit zu anzustreben. Und das finde ich so schön, dass man dann eben nicht in der Schockstarre verharrt sondern dieser Stoffwechsel auch wirklich anlaufen kann. Ich finde das ein schönes, greifbares Bild: dass Emotionen als biochemische Prozesse auch verstoffwechselt werden müssen und auf dieser Ebene betrachtet gibt es nicht umsonst eine eingeräumte Zeit für Trauer.

Selina
Noch ein Satz dazu: die Schuld ist tatsächlich etwas, das wir nicht verstoffwechseln können. Weil der Körper an ihr festhält. Dadurch, dass wir in unserer Trauerkultur gelernt haben, niemandem zur Last zu fallen, uns nicht mitzuteilen. Und stattdessen zu hören bekommen, dass wir nicht weinen und uns nicht so schwer damit tun sollen.

Ich in meiner Situation habe genau das nicht gemacht. Ich habe in diesem Moment aus einer Tiefe geschrien, von der ich nicht wusste, wo sie herkommt. Aber das war so wichtig, um diesen Stoffwechselprozess in Gang zu bringen. Das weiß ich heute. Seinem Schmerz Raum zu geben, damit die Trauer eine Chance hat, diesen Vorgang zu starten. Und Tränen bringen ja den Stoffwechsel in Gang.

Vicky
Wenn der ein oder andere Hörer jetzt merkt, dass da irgendwas ist, was ihn aufhorchen lässt oder ihn wirklich berührt oder er ins nachdenken kommt. Hast du einen Tipp, wie man an solche Themen wie Schuldgefühle oder Verlustängste herangeht? Hast du einen Rat oder ein schnelles Patentrezept?

Selina
Nein, eine schnelle Lösung habe ich leider nicht. Ich glaube, dass es wichtig ist, sich mit dem Prozess auseinanderzusetzen, bevor Zeitpunkt X da ist. Und sich dabei auch Hilfe zu holen. Denn ohne ein Gegenüber, das sich mit der Thematik auskennt und mit dem man zusammen Dinge erarbeiten kann, geht das nicht. Ich glaube, allein mit ein paar Übungen ist das leider nicht getan.

Vicky
War das dann auch der Grund, warum du die neue Ausbildung „neuroemotionale Kommunikation“ ins Leben gerufen hast?

Selina
Ja, die neuroemotionale Kommunikation ist das Pendant für Menschen zur VPO für Pferde. Da geht es genau um diese Themen, wie man in einer Behandlung schaut, wo diese Emotionen wie Schuldgefühle im Körper verankert sind, welche Strukturen im Körper dem Kopf immer wieder das „Ich habe Schuld“ signalisieren. Es geht darum, den Menschen wieder in seine Zentrierung zu bringen. Denn nur in der Zentrierung funktioniert unser Stoffwechsel gut, aber auch der Kopf und die Emotionen, damit wir in jedem Moment gut handeln können.
Ich habe gerade erst einen Facebookartikel geschrieben, in dem es um diese Zentrierung geht. Wir Therapeuten können nicht immer verhindern, dass jemand stirbt. Aber wir können etwas tun, wenn etwas im Herzfeld gestorben ist. Wir können Dinge im Hier und Jetzt tun, bevor der Tod eintritt, damit so kleine Tode wie Symptome, Schmerzen , Krankheiten, beheben werden können. Damit das Pferd aus seiner Zentrierung heraus das Herz, die Organe, die Psyche, die Emotionen wieder in die Lebendigkeit bekommt, bevor es stirbt.

Vicky
Ich finde es wichtig, dass du das jetzt nochmal ansprichst. Dieser Punkt der Zentrierung in allen Lebenslagen und die damit einhergehende Selbstermächtigung. Dem Pferd ein Stück weit damit zu helfen, sich aus sich heraus wieder zu zentrieren. Und dann kommen auch solche Entscheidungen, ob sich zum Beispiel eine Behandlung noch lohnt, vielleicht auch aus dem Pferd selbst und es zeigt, dass es weiter Leben möchte, weil die Schmerzen erträglicher werden. Und dem Pferd auch aus einer depressiven Stimmung zu helfen. Das habe ich mit meiner Stute erlebt, die, wenn ich sie regelmäßig in die Zentrierung bringe, ein Lächeln im Gesicht hat, auch wenn das jetzt albern klingt.

Selina
Das ist genau das, was wir tun wollen. Die Schockenergie aus dem Körper holen, die sich durch eine traumatische Situation dort gesammelt hat. Das kann im Gewebe oder einem Organ sein. In so einem Zustand ist der Körper dann jeden Tag damit beschäftigt, Unmengen an Energie zu generieren, um diese Schwachstelle oder diese Blockade zu managen. Das kostet viel Kraft und wenn das nicht behoben wird kann der Körper irgendwann nicht mehr. Ich finde auch, dass viele Pferde zu früh sterben, wenn wir aus diesem Blickwinkel gucken. Wir können diese Schockenergie aus dem Körper und die Strukturen wieder dazu bringen, dass sie ihre physiologische Arbeit machen. Dann kommt wieder Energie in den Kreislauf. Und diese Energie kann dann für die Verstoffwechselung von Nahrungsmitteln oder von äußeren Reizen genutzt werden. Das heißt, das Pferd kreist nicht mehr nur um seine Blockaden, sondern es kommt dann wieder dazu, sich am Leben zu beteiligen, Dinge besser verstoffwechseln zu können, und dann ist der Tod vielleicht ein Stückchen weiter weggerückt. Wir alle kennen das, wenn man sich wirklich elendig fühlt, über Jahre eine Depression hat oder immer Schmerzen hat, dann ist der Tod eigentlich für den Körper und für die Biologie das Sinnvollste. Es ist ja auch das sinnvollste, ja, um frei zu werden von Schmerzen. Und wenn dann es aber noch eine andere Lösung gibt, glaube ich, dass viele Pferde doch noch länger Zeit hätten.

Vicky
Und das öffnet dann einfach noch mal so viele Möglichkeiten. Und was ich auch so erlebt habe, auch schon in den Jahren vorher mit der Bioresonanz unterwegs war, war ein Glimmen in den Augen des Pferdes, und das nimmt der Pferdebesitzer dann auch wahr. Ich bin ganz fest davon überzeugt, das sehe ich immer wieder, dass die Menschen für ihre Pferde so eine so feine Antennen haben und dass sie das sofort wahrnehmen. Dass es dann plötzlich auch zwischen Mensch und Pferd dann so eine ganz andere Ausstrahlung gibt und dass dann auch vielleicht wirklich noch mal die Bücher gewälzt werden, dass vielleicht noch mal eine andere Diagnostik betrieben wird und dass dann auch wieder diese Lebendigkeit durch die Zentrierung wieder in das Pferd kommt. Das ist das erstrebenswerte, dass man das mit in seinen Alltag integriert und das spürt, bevor das Ende naht.

Selina
Dadurch kommt dann auch so eine magische Beziehung zustande, in dem Moment, wo ein Pferd stirbt. Aber vielleicht wäre es auch erstrebenswert, dass wir vorher schon das aus dem Weg räumen, was dieser Beziehung in uns im Weg steht. Dass wir schauen, dass wir aus dem Tun hinaus kommen, mehr in das Hier und Jetzt und auf die Beziehungsebene schauen um die Zeit, die das Pferd hier ist auch so zu verbringen. So liebevoll und bewusst mit dem Herzen zu verbringen und eine wirkliche Verbindung zu haben. Und wenn wir das erreichen, wenn es zu dieser Verbindung kommt, dann kann das Pferd zu jederzeit sterben. Dann ist das OK. Weil wenn ich etwas wirklich mit etwas verbunden war, dann ist das OK. Wenn aber noch etwas offen ist, weil man vielleicht gemerkt hat, ich habe doch noch keine Verbindung, weil das Pferd durch seine Geschichte nicht wirklich in seiner Zentrierung war, nicht wirklich im hier und jetzt war und wir eigentlich nur oder viel über Jahre seine Symptome gemanagt haben. Dann ist Beziehung schwierig.

Vicky
Genau so hat es sich angefühlt, als wären jetzt alle losen Fäden miteinander verwoben gewesen. Und so ist es nach wie vor, das ist jetzt fast über ein halbes Jahr her, und so fühlt sich das jeden Tag noch an. Also ich bin glücklich, wirklich jeden Tag, den sie da ist. Und ich habe 3 Pferde und ich kann es jetzt auch nicht von allen 3 Pferden behaupten, das muss ich auch ehrlicherweise sagen. Dass das dann doch durchaus Themen gibt. Deswegen war es mir jetzt auch so ein Anliegen heute, weil mit dir über diese wirklich auch bewegenden Themen zu sprechen. Gibt es von deiner Seite noch irgendetwas, was du gerne noch erwähnen möchtest, was dir wichtig ist in dem Zusammenhang?

Selina
Ja, ich möchte aus meiner Erfahrung heraus sagen, dass es erstrebenswert ist oder sein sollte, dass wir so gut wie möglich in die Lebendigkeit kommen um diese Zeit, die wir gemeinsam haben, auch wirklich lebendig und freudvoll miteinander zu verbringen. Wenn diese Verbindung da ist, sind auch Krankheiten oder Rückschläge deutlich leichter zu ertragen. Weil dieses Gefühl, das du beschrieben hast, zu einer inneren Instanz wird. Das ist ein innerer Hafen, ein innerer Anker, zu dem ich immer zurückkommen kann. Das Gefühl der Verbindung bleibt auch nach dem Tod, aber ohne, dass es mich emotional überflutet, ohne, dass es mich davonträgt.
Das ist auch der Sinn der VPO. Es geht nicht darum, dass wir Symptome behandeln, sondern, dass wir wieder eine Verbindung herstellen, eine Beziehung zwischen beiden Parteien. Für Mensch und Pferd. Denn wie gesagt, wenn wir von Geburt sprechen, haben viele von uns einen Schockmoment erlebt, der uns diese Verbindung genommen hat. Zu uns selbst, aber auch zu den anderen.

Vicky
Vielen Dank, liebe Selina und vielen Dank auch an Justin, dass du durch ihn etwas so Großartiges in die Welt gebracht hast. Es ist mir eine Ehre, dass du das so offenherzig teilst und uns an diesem intimen und persönlichen Thema so teilhaben lässt.

Deine

Vicky Hollerbaum

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