Im zweiten Teil der Miniserie Phytotherapie geht es um das gelungene und sinnvolle Konzept, das am Anfang jeder Phytotherapie für ein Pferd stehen sollte. Die spontane und kopflose Gabe von Kräutern ist nämlich oftmals nicht hilfreich und bleibt wirkungslos. Ich erkläre dir, was es bei der Erstellung eines solchen Konzeptes zu beachten gilt. Zusammenfassend solltest du dir vor und während der Fütterung von Kräutern an dein Pferd folgende Fragen stellen:

7 Fragen, die du dir für ein gelungenes Konzept stellen solltest

1. Was willst du erreichen?

Überlege dir, zu welchem Zweck du deinem Pferd Kräuter geben möchtest. Willst du dein Pferd prophylaktisch unterstützen oder bei einem akuten Problem helfen?

2. Kannst du die Ursachen für ein Problem abstellen?

Insbesondere bei akuten Problemen ist es wichtig zu ergründen, ob es Ursachen gibt, die du abstellen kannst. Diese Ursachenbehebung ist grundlegend für eine Gesundung entscheidend, sonst bekämpfst du nur Symptome.

3. Welche Organe/-Systeme willst du unterstützen?

Entscheide sinnvoll, welche Organe du mit deiner Kräutermischung unterstützen möchtest. Fokussiere dich auf einen Funktionskreis, um dein Pferd nicht unnötig zu belasten und wähle eine passende Reihenfolge deiner Mischungen, wenn du mehrere Baustellen nach und nach angehen möchtest (z. Bsp. Niere vor Bauchspeicheldrüse und Milz, Leber zum Schluss).

4. Welche Kräuter passen zum Ziel und zueinander?

Wähle für deine Kräutermischung 3 – 5 Kräuter, die sowohl zum Ziel deiner Therapie als auch zueinander passen. Im Idealfall synergieren sie miteinander und passen zum Typ und Wesen deines Pferdes. Beachte auch die Dosierung der Einzelkräuter, damit sie ihre Wirkung auch entfalten können.

5. Über welchen Zeitraum gibst du die Kräuter?

Eine Kräuterkur sollte über einen Zeitraum von 2 – 3 Wochen verabreicht und zwischen den Kuren sollte eine Pause eingehalten werden.

6. Kannst du Verbesserungen feststellen?

Beobachte dein Pferd während der Kräutergabe genau. Nach einer Woche solltest du bereits Verbesserungen oder zumindest eine positive Reaktion des Pferdes auf die Kräuter feststellen können.

6. Brauchst du Hilfe?

Insbesondere bei akuten Krankheitsbildern wie Atemwegserkrankungen ist es wichtig, nicht zu lange zu warten und sich zeitnah professionelle Hilfe zu holen, sollte sich keine Verbesserung oder gar eine Verschlechterung einstellen.

Noch mehr Informationen zum Thema erhältst du in der Podcast-Folge #02 Das gelungene Konzept. Außerdem kannst du dir meinen Beitrag dazu in voller Länge hier noch einmal durchlesen:

Willkommen zurück in der Miniserie Phytotherapie beim Pferd

…und der zweiten Folge, in der es um das gelungene Therapiekonzept gehen wird. Es geht darum, welche Dinge beachtet werden müssen, wenn du Kräuter für dein Pferd zusammenstellst.

Zuerst ist es wichtig zu überlegen, was du genau mit der Gabe der Kräuter erreichen willst. Hast du zum Beispiel ein bestimmtes Organ wie die Niere, das du speziell unterstützen möchtest? Oder hast du eine akute Erkrankung wie einen Husten, bei dem du die Atemwege und die Bronchien in ihrer Selbstheilungskraft unterstützen willst? Es macht einen unterschied, ob du eine Kräutermischung zur Prophylaxe oder für einen akuten Fall zusammenstellst. Ist letzteres der Fall ist es nämlich auch wichtig zu überlegen, worin die Ursache für das Problem liegt. Beim Husten kann das zum Bespiel die Heuqualität oder ein Infekt im Stall sein – und diese Ursachen müssen natürlich auch ausgestellt werden, um nicht nur Symptome zu bekämpfen.

Die prophylaktische Gabe von Kräutern ist im Zweifel natürlich der Idealfall – wenn unser Pferd nämlich noch fit und fröhlich ist. Um diesen Zustand zu erhalten und zu unterstützen können wir im Winter mit Kräutern das Immunsystem oder im Sommer den Kreislauf unterstützen, sodass unser Pferd auch unter schwierigeren Bedingungen gesund bleibt. Wenn wir nun ein Konzept erstellen, sollten wir uns auch eine gewisse Reihenfolge der „Baustellen“ aussuchen, die Sinn macht. So ist es eigentlich immer angebracht, bei Niere und Darm anzufangen, dann die Bauchspeicheldrüse und die Milz anzuregen und erst zum Schluss die Leber zu unterstützen. Je nach Ziel kann man das selbstverständlich variieren.

Auch wenn ich eigentlich ein großer Freund von Bauchentscheidungen bin, ist eine kopflose und impulsive Gabe von Kräutern oftmals nicht hilfreich. Das beruhigt vielleicht das Gewissen, deinem Pferd ist damit jedoch nicht geholfen. Überlege also gut, welche Kräuter über welchen Zeitraum und mit welchen Zeitabständen wirklich Sinn machen. Gehe deine Entscheidungen dazu besonnen und strategisch an. Damit fahre ich zum Beispiel sowohl in der Praxis als Therapeutin als auch bei meinen eigenen Pferden immer sehr gut!

Hast du dich also auf ein Organ oder Organsystem fokussiert, zum Beispiel auf die Niere, stellst du vielleicht fest, dass andere Organe direkt im Funktionskreis zusammenhängen. Im Falle der Niere ist das beispielsweise die Haut. Dieses System kannst du jetzt zusammen unterstützen und wählst dafür drei bis fünf passende, spezifische Kräuter aus. Dabei kannst du aus einem großen, bunten Blumenstrauß auswählen – schaue hier ruhig danach, welche Kräuter abgesehen von ihrer Wirkung auch den Typ und das Wesen deines Pferdes unterstützen könnten. Mehr dazu erfährst du in der siebten Folge dieser Serie!

Nehmen wir zur Unterstützung der Niere zum Beispiel die Goldrute mit in die Mischung, unterstützt diese die Nierenfunktionskraft und ihre Durchblutung und verbessert den Harnfluss. Damit die Goldrute aber auch gut wirken kann, muss sie in der passenden Dosierung verabreicht werden. Und diese Dosierung ist für jede Pflanze anders – von manchen Kräutern reicht es fünf Gramm zu geben, manchmal braucht man aber ach 40 oder 60 Gramm für ein Pferd und sein Gewicht. Haben wir uns jetzt für eine Mischung aus vielen verschiedenen Kräutern entschieden, müssen wir unserem Pferd einen riesigen Berg an Kräutern füttern. Deshalb macht es Sinn, Kräuter sinnvoll und passend zu kombinieren, damit die Masse nicht zu groß wird. Der Pferdekörper braucht auch keine zehn verschiedenen Kräuter, damit seine Selbstheilungskräfte angeregt werden sondern spezifische Impulse. Im Optimalfall wählst du also Kräuter, die sich gut unterstützen, Synergien eingehen, zur Problemstellung passen und sich nicht gegenseitig blockieren. Es ist ebenfalls ratsam darauf zu achten, nicht auf einen Schlag zu viel vom Organismus zu verlangen. Ich bin beispielsweise kein Fan davon, gleichzeitig Leber und Niere zu unterstützen (zum Beispiel mit Goldrute und Mariendistel). Wenn so viele Informationen verarbeitet werden müssen, kann das für ein Pferd auch durchaus anstrengend werden. Lasst eurem Pferd die Zeit, konzentriert euch auf ein Organsystem und unterstützt dieses über 2 – 3 Wochen mit 3 – 5 Kräutern in einer ausreichenden Dosierung. Zudem könnt ihr überlegen, euer Konzept noch mit Vitalpilzen oder Nahrungsergänzungsmitteln sinnvoll zu erweitern.

Beobachtet eurer Pferd in dieser Zeit genau, denn natürlich wollt ihr auch ein Ergebnis eurer Therapie sehen. Wenn die Niere unterstützt wird, ist es ein gutes Zeichen, dass das Pferd häufiger Wasser lässt oder an den Leckstein geht. Oder, dass das Trinkverhalten angeregt wird. Die tatsächliche Reaktion des Pferdes auf die Kräuter ist dabei aber auch sehr von seinem allgemeinen Zustand abhängig. Ein fittes, aufgeräumtes Pferd wird deutlich weniger auf eine Kräuterkur reagieren, als ein Pferd mit vorhandenen Problemen.

Vor allem, wenn ihr ein akutes Problem wie einen Husten behandelt, solltest du nach einer Woche eine Verbesserung sehen. Auch wenn es unser Wunsch ist, das Pferd mit natürlichen Mitteln zu unterstützen, sollten akute Krankheiten nicht herausgezögert werden, damit ein Tierarzt auch noch die Möglichkeit hat, zu agieren, bevor etwas verschleppt wird. Gerade bei Atemwegsinfektionen rate ich, nicht zu lange abzuwarten und bei einer Verschlechterung oder Erschöpfung des Pferdes zeitnah einen Tierarzt oder erfahrenen Therapeuten mit ins Boot zu holen. Übernehmt die Verantwortung für euer Pferd, holt euch im Zweifel professionelle Hilfe und behaltet die Grenzen und Möglichkeiten der Phytotherapie im Blick.

In der nächsten Folge schauen wir uns dann an, woran es liegen kann, dass ein super Konzept nicht anschlägt. Sei gespannt!

Deine

Vicky Hollerbaum

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